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Haunted Thoughts - Gedanken aus der Welt des Gruselattraktionen

Aktualisiert: 11. Apr.

Teil 1: Es ist noch so viel Zeit, um... ja, was genau zu tun?

Es ist April. Die Tage werden länger, die Sonne zeigt sich öfter - das Leben wird wieder heller und freundlicher. Kurzum, es ist die perfekte Zeit, um sich auf dunklere Zeiten vorzubereiten. Oder mit anderen Worten: Es ist Zeit, sich um die Halloween-Saison Gedanken zu machen!

Die Veteranen der Branche werden jetzt direkt schreien: "Was? Ihr fangt JETZT erst an? Na jetzt aber zackig!“. Und womit? Mit Recht! Bei meinen beiden Hauptprojekten für 2024 haben bereits im Dezember die ersten Arbeiten begonnen und kommen gerade jetzt richtig in Schwung. 


In manchen Kreisen scheint jedoch die Vorstellung, dass bis Halloween ja noch soooo viel Zeit bleibt um alles zu organisieren, sehr lebendig zu sein. Mehr als einmal wurde ich in den letzten Jahren irgendwann im August gefragt, ob ich mit meinem Team noch eine Halloween-Attraktion für einen Freizeitpark planen könne - rechtzeitig für Oktober des gleichen Jahres natürlich. Und so geehrt man sich fühlt, wenn jemand mit einer solchen Anfrage an einen denkt, so schmerzhaft ist die Enttäuschung für beide Seiten, die auf das unvermeidliche "Sorry" auf diese Anfrage folgt. Als Faustregel gilt für meine Projekte, dass spätestens Mitte Juli alle verfügbaren Kapazitäten eingeplant, die Reisen gebucht sind, Aufträge an die Subunternehmer erteilt und die Requisiten, Masken und Bauten sich weit fortgeschritten im Entstehungsprozess befinden. Was bis dahin nicht eingeplant ist, fällt erfahrungsgemäß leider meist "hinten runter". Und da war es wieder ... das Kernproblem eines jeden Haunters: der Tag hat nur 24 Stunden und die Woche nur 7 Tage um Dinge zu planen. 


Auch die Verfügbarkeit von Kunden-Budgets kann in bestimmten Situationen eine Herausforderung darstellen. Bei einigen Unternehmen weichen beispielsweise Geschäftsjahre vom Kalenderjahr ab und neue Budgets stehen zu spät zur Verfügung, um noch sinnvoll genutzt werden zu können. Die Halloween-Industrie, vor allem die Hersteller von Requisiten und Masken, sind oft nicht in der Lage, ganze Produktionsläufe im Voraus zu finanzieren, da alles in der Regel in Kleinserien von Hand gefertigt wird. Aus diesem Grund verlangen Viele eine Art Vorauszahlung für jede Bestellung, entweder anteilig oder in voller Höhe. Im Idealfall steht ein Budget für Halloween daher bereits im Vorjahr fest, um genügend Flexibilität zu haben spontane Entscheidungen zu treffen, wann immer sie nötig erscheinen (z. B. im März für die Halloween and Haunted Attractions Show in St. Louis oder vielleicht sogar schon im Vorjahr für die IAAPA Expo im November). 


Auch die Rekrutierung und Ausbildung von Schauspielern erfordert heutzutage mehr und mehr Vorlaufzeit. Die Zeiten, in denen Scare Actors  den Veranstaltern von Halloween-Events die Türen einrannten scheinen, in dieser post-pandemischen Welt in der wir uns befinden, vorbei zu sein - zumindest in Kontinentaleuropa. Diesem Thema werde ich aber bald einen eigenen Artikel widmen.


Eine gute Halloween-Veranstaltung ist anspruchsvoll und erfordert viele kreative Köpfe, um sie in die Tat umzusetzen. Menschen professionell zu erschrecken ist mehr als nur aus einer Ecke zu springen und "Buh!" zu rufen. Es kann sehr schnell zu einem sehr komplexen Projekt werden. Das macht Halloween eben auch zu einer sehr teuren Veranstaltung, was die Produktions- und Betriebskosten angeht. Ein Budget mit einem sechsstelligen Betrag ist schneller erreicht, als man einen Kürbis gepflegt zermatschen und einkochen kann. Nur wenige Veranstalter (ich beziehe mich hier vor allem auf die kontinentaleuropäische Haunter-Szene, die Landschaft in Großbritannien, Irland und in den USA ist dann doch sehr anders) können am Ende der ersten Saison eine ausgeglichene oder sogar positive Bilanz vorweisen. Wer nach der Saison mal durchrechnet und dabei wirklich brutal ehrlich zu sich ist, könnte an der Frage ankommen ob es die ganze Mühe wirklich wert war?


Halloween ist definitiv keine Veranstaltung, mit der man ganz schnell ganz viel Geld verdient (aber was ist das schon?). Wer zu denjenigen gehört, die bereits mit einer solchen Veranstaltung Geld verdienen: Gratulation! Well done!. Aber mal ehrlich, wie lange hat es gedauert um diesen Status Quo zu erreichen?

Für alle anderen bleibt die Frage: Warum sollte ich so viel Geld und Mühe in eine Halloween-Veranstaltung in einem Freizeitpark oder einer Touristen Destination investieren? Die gesuchten Antworten heißen meist "Longtail-Marketing" und "Kundenbindung"! Kurz gesagt, es kann sehr viel Nutzen für die Attraktivität einer Destination und einer Marke haben.


Was passiert denn im Herbst bitte sonst noch in der Unterhaltungsbranche? In der Regel gibt es weniger Angebote als in den Sommermonaten (z. B. Open-Air-Konzerte, Straßenfeste, Ferien usw.), aber es ist auch weniger los als im Winter (z. B. Theater, Kino, Skiurlaub usw.). Die Gäste, die sich während einer Halloween-Veranstaltung amüsiert haben oder davon gehört haben (sei es über die sozialen Medien oder über Freunde, Bekannte usw.), werden sich mit größerer Wahrscheinlichkeit im folgenden Frühjahr daran erinnern und somit zu Wiederholungs-besuchern werden - und das nicht nur zu Halloween. Der Markenname wird so präsenter in den Köpfen der Menschen sein als ohne eine große Veranstaltung im Herbst. Allerdings, das darf man nicht verschweigen, gibt es auch Freizeitparks, die ganz gut ohne eine Halloween-Veranstaltung zurechtkommen, weil sie sich letztendlich für etwas ganz anderes entschieden haben. Das ist allerdings meist mit noch mehr Aufwand und Geldeinsatz verbunden, da den potenziellen Kunden erst einmal erklärt werden muss, worum es sich bei der Veranstaltung überhaupt handelt. Bei Halloween weiß inzwischen fast jede(r), was ihn/sie erwartet.


Aber wie lange dauert es nun, eine gute Halloween-Veranstaltung auf die Beine zu stellen? Ich glaube nicht, dass es dafür einen festen Zeitrahmen gibt. Manchmal braucht es einfach ein bisschen Zeit, um sein Publikum und sich selbst zu finden - seinen ganz eigenen Stil zu entwickeln. In den ersten Jahren einer neuen Veranstaltung wird die Summe unter der Bilanz in vielen Fällen sicherlich mit einem dicken roten Edding geschrieben werden müssen. Aber das muss man einpreisen. Halloween ist eher ein Marathon und kein Sprint. Genau genommen handelt es sich um eine der etabliertesten Formen von immersivem Theater in freien Wildbahn. Und da "immersiv" aktuell (mal wieder) das neue Trendwort ist, liegt man mit einem gut gemachten neuen Halloween Event eigentlich goldrichtig. Es empfiehlt sich aber durchaus, sich vorher zumindest ein klein wenig mit dem Thema Immersiv oder Nicht zu beschäftigen. Es werden derzeit leider viele Veranstaltungen als "immersiv" angepriesen, obwohl sie es schlichtweg -oft schon konzeptionell- nicht sind. „Anticappointment“ bei seinen Gästen ist ein schwer zu kompensierendes Gefühl und mitunter wird man damit aus den falschen Gründen zum Internet-Meme (hat jemand Willy Wonka gerufen?). Manchmal ist es einfach völlig in Ordnung, zu versuchen so gut und immersiv wie möglich zu sein, sich aber vom Buzzword-Marketing fern zu halten. Ehrlichkeit im Marketing wird in meiner Beobachtung tatsächlich wieder mehr geschätzt, besonders bei jüngeren Zielgruppen. Man sollte überzeugen mit dem was tatsächlich geboten wird, nicht mit Luftschlössern aus Midjourney.


Aber sagen wir mal, man hat sich dafür entschieden den Weg zu gehen und ein neues Halloween Event an den Start zu bringen. Super! Es wird ein paar Jahre dauern aber mit der Zeit werden sich Angebot und Nachfrage immer mehr angleichen. Die kreativen Köpfe werden wissen, was für ihr jeweiliges Publikum funktioniert (und ja, es gibt so etwas wie regionale Gruselvorlieben), die Betreiber wissen, wie viel Kapazität benötigt wird und das Gleiche gilt natürlich auch für den Bereich Food & Beverage.


Und die Gäste? Die wissen auch, was sie vom Event erwarten können. Haben beide Seiten nun automatische immer die richtige Erwartungshaltung? Sicherlich nicht. Aber der Weg ist bereitet. Und wenn man es schafft nicht von diesem Weg abzukommen, ist die Chance groß, eines Tages statt eines roten Eddings, mal schwarzen aus der Tasche ziehen zu dürfen, um das Minus vor der Endsumme in ein Plus zu verwandeln. Und dann merkt man, dass es all die Mühen wert war. Denn Halloween macht einfach furchtbar Spaß (Wortspiel sowas von beabsichtigt).


PS: Dies wird sich hoffentlich zu einer Serie entwickeln. Einfach ab und an mal nach neuen Artikeln Ausschau halten. 


Bilder: Luftschloss-Central (Midjourney)

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